Nordstrand ertrinkt - die zweite grote Mandränke

Karte, Johannes Mejer, 1652Am 11. Oktober 1634 vollendete eine schwere Sturmflut, was 300 Jahre vorher begann - das Fallstief brach endgültig durch die Insel Alt-Nordstrand, ein Durchbruch, der nie wieder bedeicht werden konnte. Schon vor dieser Flut hatten etliche Sturmfluten im 16. Jahrhundert und auch Anfang des 17. Jahrhunderts Deiche zerstört, Menschen getötet und Kirchspiele versinken lassen.

Im Rungholt-Gebiet lebten auch nach der Flut von 1362 noch Menschen, siedelten sich auf Flächen an, die im Laufe der Jahre wieder über Fluthöhe angewachsen waren. So soll z. B. der Ort Fedderingman Capell erst 1532 endgültig versunken sein. Reste des Ortes finden sich am Ufer der Norderhever nordwestlich von Südfall. Ende des 16. Jahrhunderts bis Anfang des 17. Jahrhunderts kommt es zu einer besonders großen Anzahl schwerer Fluten. Ähnlich wie 300 Jahre zuvor ist von einer Periode mit extremer Klimaverschlechterung auszugehen. Zu nennen ist z. B. die Allerheiligenflut 1570, auf Alt-Nordstrand brachen mehrere Deiche. Fast jährlich folgten neue Sturmfluten, denen die notdürftig geflickten Deiche nicht standhielten. Die Lasten der Deicharbeiten führten zu einer Verarmung der Bevölkerung.

1615 setzte eine schwere Sturmflut auf Alt-Nordstrand 19 der 22 Kirchspiele unter Wasser. Die Deiche werden also in keinem guten Zustand gewesen sein, die Menschen entmutigt vom oft vergeblichen Kampf gegen das Wasser, als der 11. Oktober 1634 kam. Der Tag soll sonnig begonnen haben, erst abends wurde der Wind stärker und drehte auf Nordwest - die für Sturmfluten verheerende Windrichtung. In der Nacht erreichte er Orkanstärke, die ersten Deiche brachen. Am Ende der Nacht waren mehr als 40 Deichbrüche zu verzeichnen, 6035 Einwohner Alt-Nordstrands sollen getötet worden sein. Die Landkarte der Uthlande hatte sich erneut radikal verändert. Von Alt-Nordstrand blieben die Pellwormharde, das Gebiet der heutigen Insel Nordstrand und das wüste Moor - die heutige Hallig Nordstrandischmoor - übriggeblieben. Die Landflächen waren nun aber ohne schützende Deiche.

Die größten Teile der Pellwormharde konnten wenige Jahre nach der Flut neu eingedeicht werden, neue Köge wurden gewonnen. Auf Nordstrand gelang dies zunächst nicht. Die wenigen Überlebenden waren nicht in der Lage, die Deiche aus eigener Kraft zu errichten, sie waren nicht in der Lage, den Bau der Deiche zu finanzieren. Trotz Auswanderungsverbot blieb vielen keine andere Wahl, als die Insel für immer zu verlassen. Auch 20 Jahre nach der Flut war Nordstrand noch immer ohne Deiche.

Schließlich wurden die verbliebenen Nordstrander enteignet, 1652 hollte der Gottdorfer Herzog Friedrich III. niederländische Partizipanten ins Land, denen es bis zum ende des 17. Jahrhunderts gelang, einige Köge auf Nordstrand einzudeichen.

Die schwere Sturmflut vom 11. Oktober 1634, die zweite grote Mandränke - hat das heutige Bild der Uthlande und des nordfriesischen Wattenmeeres weitgehend geprägt. Das Fallstief, die heutige Norderhever, grub sich immer tiefer in den weichen Boden des schon lange versunkenen Rungholtgebiets und die Flächen der von da an geteilten Insel Alt-Nordstrand. 

Quellen: Manfred Jakubowski-Tiessen, Die großen "Mandränken": Sturmfluten in Nordfriesland, in: Das große Nordfriesland-Buch, Hamburg, 2000
Hans-Herbert Henningsen, Rungholt - der Weg in die Katastrophe, Band 1 Husum 1998, Band 2 Husum 2000

mehr zu Sturmfluten und Nordstrand:

Buchtipps zum Thema Rungholt

zurück
Sagenhaftes Rungholt