Textauszug aus Klaus Bölling, Möhlmanns Liebe - ein Thriller mit Jacques Novak & Kirsten de Savigny

Am Abend stand Novak in seiner Küche. Er freute sich auf Miriams Besuch. Die Zwiebeln waren fertig geschnitten, das Öl wurde langsam heiß. Sorgfältig breitete er die Zwiebelstückchen in der Pfanne aus, beobachtete, wie sie anfingen zu brutzeln und ihren Duft in der Küche ausbreiteten. Es klingelte an der Tür - Miriam, endlich. Sie ließ ihren Mantel einfach auf die Erde fallen, umarmte Novak, schob ihn quer durch den Raum auf sein Bett zu, warf ihn mitten zwischen das Deckenwirrwarr. Er sah ihr tief in die Augen, sie sah in seine Augen, lange und schweigsam, ohne Bewegung, nur einmal musste er kurz blinzeln. Dann küsste sie ihn, nahm seinen Kopf in beide Hände, ließ sich auf ihn fallen und presste ihn mit dem ganzen Gewicht ihres Körpers auf die Matratze. Novak streichelte ihren Kopf, die Linien ihres Gesichts, die Ohren, die Nase, fuhr mit der Fingerspitze zart über ihre geschlossenen Augenlider. Eine schöne Frau, er genoss ihr Aussehen, ihren Duft, ihre Bewegungen, zog ihr das Hemd über den Kopf und küsste ihren warmen, nackten Oberkörper, die sanft aufgerichteten Brustwarzen. Miriams Atem wurde schwerer, er zog sie weiter aus, seine Lippen wanderten ihren Körper hinab, mit der Zunge fühlte er jeden Zentimeter ihrer Haut, schmeckte den wechselnden Geschmack, weiche Haut, drahtige Haare, folgte mit den Lippen der Feuchtigkeit und spürte, wie sie seinen Kopf tiefer drückte, ihn an den Haaren zog und stöhnte, bis sie erschöpft zwischen die Kissen sank.

"Novak, mir ist zwar ziemlich heiß und ich würde gern weitermachen, aber der Qualm kommt nicht von unserer Hitze, sondern aus der Küche."

"Scheiße, die Zwiebeln."

Er zog sich rasch T-Shirt und Hose an, immerhin war das Kochen ein quasi heiliger Akt, der eine gewisse Etikette verlangte und verschwand in der Küche.

"Sehen gut aus, deine Zwiebeln. Heißt es nicht immer in den Rezepten: kohlschwarz anbrennen lassen?"

Wenigstens waren sie noch nicht in der Pfanne festgebacken. Miriam störte sich nicht weiter an seinen Vorstellungen von angemessener Kleidung, setzte sich rittlings auf einen Stuhl, sah ihn an und strich mit den Händen über ihre Schenkel.

"So bekomme ich das Essen niemals fertig, das ist Folter, seelische Grausamkeit."

"Lass dich von mir nicht stören. Du darfst mich ohnehin erst berühren, wenn es dir gelungen ist, in deiner Kokerei ein wohlriechendes Mahl zu bereiten."

Novak sah zu ihr herüber und versuchte, ihre Hände ebenso zu ignorieren wie den entrückten Blick, mit dem sie an ihm vorbeischaute. Er ergab sich in sein grausames Schicksal, schärfte das Messer am Wetzstahl und zerteilte eine neue Zwiebel, leckte den scharfen Saft von seinen Fingern, schmeckte die Mischung aus frischer Zwiebel und Miriams Körper. Während die Zwiebelstückchen im Olivenöl leicht brutzelten, würzte Novak zwei Forellen mit frischen Kräutern und Salz. Die Fische waren kalt und glitschig, glotzten ihn aus ihren toten Augen blöd an.

"Lass mich deine Finger ablecken."

Miriam saß noch immer auf ihrem Stuhl, öffnete die Lippen, umschloss nacheinander jeden Finger, entfernte gierig die Reste von Salz und grünen Kräuterspuren von seiner Haut und schickte ihn zurück zu den Fischen. Novak strich in jede Forelle reichlich weiche Butter, legte die Fische in der Form auf ein Bett aus frisch aufgeschnittenen Mangos, die mit fein gehackten Zwiebeln, Petersilie sowie in Salz zusammen mit reichlich Knoblauch zerdrückten Kräutern gewürzt und knapp mit einem trockenen Riesling bedeckt waren. Darüber rieb er frischen Ingwer. Im Topf nebenan kochten die Kartoffeln und die Zwiebeln in der Pfanne wurden langsam glasig. Novak gab echte Nordseekrabben zu den Zwiebeln, hatte er extra im Fischgeschäft in der Stadt besorgt.

"Jacques, ein Kräbbchen für mich, bitte."

Sie hatte sich von Stuhl erhoben, kam auf ihn zu, er roch ihren Körper, spürte die Wärme. Aber sie hielt genug Abstand, berührte ihn nicht. Novak fasste die Krabbe am Schwanz, hielt sie ihr zwischen Daumen und Zeigefinger entgegen. Miriam streckte den Kopf vor und die Zunge heraus. Er legte ihr das Krabbenfleisch auf die Zungenspitze, mit der sie über seine Fingerkuppen leckte. Sie rollte die Zunge mit dem rosa Wurm auf der Spitze und zog sie langsam wieder in den Mund, schloss die Augen. Ihre Hände ruhten auf den Brüsten, Schritt für Schritt bewegte sie sich zurück auf ihren Stuhl.

Novak ließ die Krabben kurz mit den Zwiebeln anbraten. Die Form mit den Forellen hatte er mit einem Tondeckel verschlossen und in den vorgeheizten Ofen gestellt. Er öffnete eine weitere Flasche Riesling, füllte etwas in ein Glas, nahm einen Schluck, ließ ihn lange auf der Zunge ruhen und bewegte ihn dann nur langsam durch den Mund, genoss mit geschlossenen Augen den fruchtigherben Geschmack, der sich im Mund und über den Gaumen ausbreitete. Fast ohne Schluckbewegung beförderte er den Wein die Kehle hinunter und reichte das Glas an Miriam weiter, die es entgegennahm und dabei kurz aber bewusst seine Hand streichelte. Sie tauchte einen Finger in das Glas, benetzte ihre Brustwarzen mit der Flüssigkeit, leckte den Finger dann genüsslich ab. Bestimmte Arten des Umgangs mit Wein musste Novak aus gourmetideologischen Gründen missbilligen, aber was nutzte die ganze Ideologie gegen die größer werdende Lust. Die Küche war gefüllt mit dem Geruch von Wein, Fisch, Kräutern und dem Knoblauch, den er diesmal etwas gröber gehackt zwischen den Krabben verteilte. Dazu goss er ebenfalls Wein, ließ ihn kurz aufkochen, nahm die Hälfte von Sud und Krabben aus der Pfanne und passierte das Ganze in einen anderen Topf, rührte Sahne darunter, bis eine fein-flüssige, wohlriechende Masse entstand, zu der er die restlichen Krabben und Zwiebeln gab. Er bestreute die Soße mit Petersilie, Thymian, Kerbel und Basilikumblättchen. Zwischendurch ließ sich Miriam von ihm einige Basilikumblätter auf die Haut legen, pflückte sie mit feuchten Fingern wieder herunter, sah ihm in die Augen und führte den Finger mit dem grünen Blatt zum leicht geöffneten Mund, hauchte ihm eine Kuss zu. Novak schüttete die Kartoffeln ab, stellte sie auf den Tisch, daneben die dampfende Soße - allein beim Gedanken ans Essen lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Miriam verschwand kurz im Zimmer, kam mit einem knappen Höschen und einem BH, dessen Spitzen kaum die Haut berührten, zurück.

"Schließlich ist Essen eine ernste Angelegenheit."

Die Forellen waren gar, er holte sie aus dem Ofen und nahm den Deckel ab. Eine würzig riechende Dampfwolke zog durch die Küche. Novak legte auf jeden Teller einen Fisch, entfernte den Kopf, schnitt Rücken und Flanken ein und hob die Filets vom Grätengerüst. Das Fleisch war zartrosa und harmonierte wunderbar mit den exotisch gelben Mangoscheiben. Darüber goss er die helle Soße mit den Krabben. Miriam nahm ihm gegenüber Platz, hob das Glas an die Lippen, fuhr mit der Zunge leicht über den Glasrand und trank einen Schluck. Er spürte ihren nackten Fuß an seinem Bein, wie er höher kam, die Oberschenkel entlang und sanft im Schritt kreiste. Miriam kaute genüsslich, er selbst konnte kaum schlucken. Trotzdem faszinierte ihn der Geschmack der verschiedenen Bestandteile des Essens, die Süße des Fruchtfleisches, die sich mit dem scharfen Ingwer und dem zarten Forellengeschmack vereinte und durch die nach der See schmeckenden Krabben einen besonderen Akzent erhielt. Er streifte seine Schuhe von den nackten Füßen, berührte Miriams Schenkel. Sie nahm seinen Fuß in die Hand, beugte den Kopf hinunter und küsste mit vom Essen feuchten und warmen Lippen seine Zehen. Dann legte sie den Fuß in ihren Schoß und widmete sich wieder Essen und Wein.

Zum Nachtisch holte Novak Weißweincreme aus dem Kühlschrank. Sie hatten nicht mehr die Ruhe, sie am Tisch zu genießen, nahmen sie mit ins Bett. Novak bedeckte Miriams Körper mit der Creme, sie bekam eine leichte Gänsehaut von dem kühlen Glibber, die aber sofort verschwand, als er mit der Zunge Spuren durch die prickelnde Masse zog. Fest presste er die Lippen auf ihre Haut, sog die Weincreme aus jeder Pore. Sie achteten nicht darauf, ob sie das Bett verschmierten, bemalten ihre Körper mit dem Dessert, fütterten sich gegenseitig und klebten danach bis in die Haarspitzen. Erschöpft, verschwitzt und klebrig lagen sie dicht aneinandergeschmiegt.

"Wir werden wohl um eine gemeinsame Dusche nicht herumkommen", flüsterte sie ihm zu.
"Und anschließend muss ich die Betten beziehen, ein unromantisches Ende des Abends."
"Wer sagt denn, dass der Abend zu Ende ist? Vielleicht wird es ja romantischer, wenn wir die Betten zusammen beziehen? Können wir doch noch so einiges zwischen den Decken und frisch gestärkten Laken anfangen."

Während des Duschens klingelte mehrmals das Telefon, aber Novak hatte nun wirklich keinerlei Gelegenheit, den Hörer abzunehmen. Angenehmes war von einem Anruf um 23 Uhr ohnehin nicht zu erwarten. Als sie wieder im frischbezogenen Bett lagen, nervte das Telefon erneut, der Anrufbeantworter piepte und Kirstens Stimme erklang.

"Los, heb schon ab, du bist doch bestimmt da. In deiner Lieblingskneipe habe ich es schon versucht und die Mitbewohnerin hat verraten, dass Miriam zu dir wollte. Also melde dich. Bei Möhlmann ist was los."

"Ich hasse das, ich hasse das abgrundtief."

Novak hielt den Hörer ans Ohr.

"Ich weiß, aber ich dachte, ihr hättet das Essen schon beendet."

"Allerhöchstens den ersten Gang."

"Na, dann leg mal 'ne kleine Pause ein und mach dich auf den Weg nach Wolfhausen. Die Kollegen haben mich aus dem Bett gejagt, weil sie dich nicht erreichen konnten. Was genau abgeht, wussten sie auch noch nicht."

Novak hörte in Kirstens Wohnung Geräusche, die er aber nicht richtig einordnen konnte, wahrscheinlich hatte sie auch Besuch. Miriam nahm ihm den Hörer aus der Hand.

"Dafür bringe ich dich eines Tages um, das weißt du hoffentlich."

"Er kommt ja wieder, ihr habt doch noch den Rest der Nacht."

Fluchend suchte Novak seine verstreuten Klamotten zusammen, T-Shirt und Slip waren unbrauchbar mit Weincreme verschmiert, auch sein Lieblingshemd hatte einen Klecks abgekriegt. Den weißen Baumwollpullover zierte ein unübersehbarer Kaffeefleck und der Schrank war fast leer. Als einzig brauchbares Kleidungsstück fand er ein Sweatshirt mit dem Aufdruck 'Auch Bullen kriegen Rinderwahn', das ihm ein alter Freund neulich mitgebracht hatte, der als Anwalt dreimal soviel verdiente wie Novak und jetzt sicher selig lächelnd in den Armen einer gestylten Schönheit ruhte. Vielleicht hätte er dieses verfluchte Jurastudium doch nicht abbrechen sollen. Miriam räkelte sich unter der Decke.

"Hey Sheriff, ich warte auf dich. Bring die Ganoven hinter Schloss und Riegel. Ich ruhe mich, um den Helden dann gebührend zu empfangen."

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Den Thriller 'Möhlmanns Liebe' erhalten Sie im Buchhandel unter derISBN 3-87064-107-X  (erschienen im Januar 1998) oder direkt beim A. Bernecker Verlag

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