Homberg-Stolin | Ein kleines Vorwort
Homberg (Efze) ist ein kleines Städtchen in Nordhessen -
Stolin ein kleines Städtchen in Belarus (Weißrussland). Seit 1992
verbindet beide Städte eine Städtepartnerschaft, seit 1993 gibt es
den Partnerschaftsverein Homberg-Stolin e.V.
Es
ist ein weiter Weg in unsere belarussische Partnerstadt in Palessje,
den polesischen Sümpfen nahe der ukrainischen Grenze. Fast 1.500 km
trennen unsere Städte, 35 - 38 Stunden ist ein Hilfstransport
unterwegs, mit dem Bus dauert die Reise ungefähr einen Tag. Auch
heute, 20 Jahre nach Beginn der Partnerschaft, ist diese Reise ein
Abenteuer.
Zu Beginn der Partnerschaft war die deutsch-polnische Grenze in
Frankfurt (Oder) die erste ernste Hürde - heute gehört Polen zur EU.
Die polnisch-belarussische Grenze ist EU-Außengrenze und eine Hürde
geblieben - und das nicht nur wegen der belarussischen Grenzbeamten.
Nicht nur die Grenzen haben sich in den letzten Jahren geändert.
Waren wir uns anfangs recht fremd, wissen wir heute in beiden
Städten (und in beiden Ländern) mehr voneinander. Dazu beigetragen
haben sicherlich die Kindererholungsaufenthalte, die nach der
Katastrophe von Chernobyl viele belarussische Kinder nach Westeuropa
und auch nach Homberg (Efze) geführt haben.
Die
polnisch-belarussische Grenze ist nach wie vor eine
Wohlstandsgrenze, sie trennt auch nach dem Kalten Krieg
unterschiedliche Systeme und nach wie vor ist der Weg nach Westen
vielen Weißrussen verschlossen.
Belarus ist eine Diktatur, die
freie Meinung wird unterdrückt, Wahlen werden systematisch
gefälscht, Oppositionelle verfolgt. Belarus ist ein armes Land, in
dem nur wenige Menschen am wirtschaftlichen Aufschwung der letzten
Jahre teilhaben.
In Stolin laufen die jungen Menschen wie bei uns in
Homberg mit dem Handy am Ohr über die Straßen - daneben fahren die
Bauern im kleinen Pferdewagen und im Nachbardorf verwandeln sich die
zerfurchten, staubigen Straßen bei Regen in Schlammäcker. Westliche
Automarken haben Ladas und Tatras weitgehend verdrängt - neben ihnen
rollen uralte Fahrräder ohne Gangschaltung. Vielen sichert nur der
eigene Garten mit Gemüseanbau die Versorgung der Familie.
Stolin
hat sich verändert seit unseren ersten Besuchen. Kleine private
Geschäfte haben eröffnet, Straßen und Bürgersteige wurden neu
angelegt, viele öffentliche Gebäude renoviert. Die Stadt ist
geschäftiger, lebendiger und schöner geworden. Die Freunde können
nicht mehr einfach die Arbeit verlassen, wenn sie mit uns unterwegs
sein möchten. Wenn sie denn Arbeit haben. Denn gute Arbeitsplätze
sind knapp - besonders die für qualifizierte Menschen. Leider
sichern manche Arbeitsplätze kaum den Lebensunterhalt.
Auch wenn
uns Stolin näher gerückt ist, die Reise in unsere Partnerstadt
bleibt eine Reise in eine etwas andere Welt, wozu natürlich auch die
Sprachbarriere ihren Teil beiträgt. Denen, die teilweise mehrfach im
Jahr die Reise auf sich nehmen, um die noch immer benötigten
Hilfstransporte nach Stolin zu fahren oder die Kinder zum
Erholungsaufenthalt nach Homberg zu holen, ist Stolin auch ein
Stückchen Heimat geworden. Man hat Freunde, deren Entwicklung man
beobachten kann, die wissen möchten, wie unser Leben sich
entwickelt, manche sind sich auch persönlich näher gekommen. Man
nimmt Anteil aneinander.
Diese Website kann nur einen sehr
oberflächlichen, außenstehenden Blick auf Stolin und seine Menschen
mit ihren vielfältigen Problemen werfen. Sie ist den Freundinnen und
Freunden in Stolin gewidmet, mit dem Wunsch, dass sich ihr Leben
weiter bessert - trotz schwieriger politischer und wirtschaftlicher
Perspektiven, trotz der gesundheitlichen Gefahren des Lebens im
Falloutgebiet knapp 200 km von Tschernobyl entfernt.
Klaus Bölling
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