Der Holocaust in Stolin | Ein Augenzeugenbericht

Bericht von Grigoriy Ovsyanik nach der Übersetzung von Judith Springer.
Quelle: http://www.jewishgen.org/yizkor/belarus/bel215.html#Page227

Zu Beginn des Krieges waren zusammen mit den Flüchtlingen aus Polen mehr als 12.000 Juden in der Stadt versammelt. Die Deutschen organisierten einen Judenrat, an dessen Spitze sie Berger, einen Juden aus Warschau, setzten. Es wurde angeordnet, dass die Bevölkerung des Ghettos jeden Monat eine Abgabe von 10 Rubel pro Person zahlen musste. Dem Geld wurde eine Urkunde beigefügt, die die Zahl der jüdischen Bevölkerung im Ghetto am Ende des Monats dokumentierte. Unter Androhung körperlicher Gewalt wurden die Juden gezwungen, Gold und Wertgegenstände im Tresor des Gebietskommissars abzugeben.

Die Grenzen des Ghettos verliefen vom Fluss entlang der Polesskaya und Kostyushko Straße, des Marktplatzes (Rynochnaya Ploshchad') und der Uniy Lyublinskaya Straße westwärts zum Fluss. Durch das Zentrum lief die Naberezhnaya Straße. Das Leben der Juden war quälend. Menschen starben an Hunger, Krankheiten und Kälte. Es kamen kaum Lebensmittel an. Hilfe kam nur durch diejenigen hinein - und dann auch nur das, was in den Taschen versteckt werden konnte - die mit den Arbeitskolonnen herauskamen. Im Keller eines Hauses wurde ein Kuh gehalten. Sie wurde von Hand gefüttert und gab nur sehr wenig Milch. Die Milch wurde an den alten Rabbi Perlov übergeben. Später wurde der Rabbi hingerichtet. Am 10. September 1942 wurden Berger, der Vorsitzende des Jundenrats und seine Mitglieder vom Gebietskommissar vorgeladen und hingerichtet. Die Menschen im Ghetto erkannten, dass sie zum Tode verurteilt waren.

Das Versöhnungsfest Jom Kippur fiel in diesem Jahr auf den 11. September (Anmerkung: es war nicht Jom Kippur, sondern das jüdische Neujahrsfest Rosh Hashanah). In Gruppen von 1.000 Menschen wurden die Juden zur Exekution gebracht. Insgesamt waren es 8 Gruppen. Die Kolonnen wurden über die Naberezhnaya Straße und die Polesskaya Straße zum Marktplatz geführt und weiter über die Pinskaya Straße zur Stadt hinaus. Die Kolonne schwenkte nach rechts und ging durch die Felder zu einer riesigen Baugrube (300 x 100 Meter und bis zu 10 Meter tief), die aus der Vorkriegszeit stammte, als der Flugplatz gebaut wurde. Sowjetische Gefangene hatten sie von Oktober 1939 bis Juli 1941 für einen unterirdischen Hangar ausgehoben.

Die Juden gingen mit ihren Familien zum Platz der Hinrichtung, hielten sich an den Händen oder trugen sich auf den Schultern. Es gab Fälle, wo alte Männer das Bewusstsein verloren und auf die Straße fielen. Die Patrouille zerrte sie zum Zaun und beendete ihr Leben mit einem Schuss in den Hinterkopf. Die Kopfwunde wurde mit Kleidung bedeckt. die Leichen wurden von einem Wagen aufgesammelt und in die Baugrube gekippt. An der Exekutionsstelle mussten sich die Menschen nackt ausziehen und ihre Sachen sortiert nach Kleidung und Schuhen nebeneinanderlegen. Sie wurden in die Baugrube geführt und mussten sich mit dem Gesicht nach unten einer auf den anderen legen. SS-Soldaten liefen über die Körper und erschossen sie mit Maschinenpistolen. Zwei Mädchen, mit denen ich eng befreundet war - Khava Turkenich aus Terebezhov und Dora Fridman aus Stolin - wurden getötet.

Nicht jeder war auf der Stelle tot. In der Nacht krochen die Verwundeten, darunter auch sehr kleine Kinder, aus der Grube. Sie versteckten sich im Wald oder auf dem katholischen Friedhof an der Straße zur Stadt, aber wie wurden gefunden und hingerichtet. In der fünften Kolonne in der Folge waren viele junge Menschen. Als sie kurz vor Sonnenuntergang abgeführt wurden, ergriffen viele die Flucht und liefen in verschiedene Richtungen. Sie mussten eine Strecke von 2 km in Richtung urochishche (boundary) Zatish'ye überwinden. Es wurde auf sie geschossen. Viele blieben im Feld, aber einige konnten sich verstecken. Als die Deutschen die Leichen einsammelten, fanden sie einen toten SS-Mann.

Unter den Überlebenden war Dr. Roter, ein Flüchtling, den die Deutschen zum Chefarzt des Stoliner Krankenhauses ernannten. Während der Massenhinrichtung rührten sie weder Dr. Roter noch seinen Sohn an. Vor der Ankunft der Roten Armee nahmen Partisanen den Arzt mit in den Wald, konnten den Sohn aber nicht mit sich nehmen und die Deutschen ermordeten ihn.

In Stolin erinnert heute nichts mehr an die Tatsache, dass bis zu zwei Drittel der Bevölkerung Juden waren. An der Stelle der Massenhinrichtung wachsen riesige, bis zu 30 Meter hohe Kiefern. Einmal lagen menschliche Schädel und Knochen herum. Plünderer suchen nach Gold, das die Juden mit ins Grab genommen haben. Jetzt steht ein Denkmal an der Stelle. Der Holocaust darf sich nicht wiederholen. Nur die Achtung vor den Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität oder Religion, wird es möglich machen, weiterhin in dieser Welt zu leben. Möge Gott Sie segnen.


Stasino | Massengrab und Gedenkstätte

zur Ansicht auf die kleinen Fotos klicken

Stolin Martyrs Mass Grave and Memorial, Stasino auf einer größeren Karte anzeigen

Der reale Weg nach Stasino ist schwer zu finden - gegen das Vergessen steht aber das kollektive Gedächtnis des Internets. Zwei der wichtigsten Quellen sind Zeugenberichte.

  • Michael Nosanchuk berichtet von der Verfolgung der Juden in der Region Stolin. Er stammt aus dem Dorf Rubel. Die jüdische Bevölkerung des Dorfs wurde bei einem Pogrom am 17. August 1941 von einheimischen ermordet. Überlebende, Frauen und Kinder kamen in das Ghetto nach Stolin. Nosanchuk konnte sich verstecken, entkam auch aus dem Stoliner Ghetto und überlebte den Holocaust. In einem Brief an den Bruder in Kanada und einem ausführlichen Bericht erzählt er über seine schrecklichen Erlebnisse.

A Memoir of Michael Nosanchuk

Gruesome Ghetto Slaughters in Rubel, David-Horodok and Stolin
described in a letter to Windsor

  • Katharina von Kellenbach ist die Nichte eines SS-Offiziers, der für die Ermordung der Juden von Pinsk verantwortlich ist. In einem sehr persönlichen Bericht erzählt die Professorin für religiöse Studien am St. Mary's College of Maryland von ihrer 'Pilgerreise' nach Belarus und dem Besuch des Massengrabs bei Stasino.

A Pilgrimage to Belarus


Joshua S. Perlman und Adina Lipsitz haben eine großartige Website erstellt, die die Erinnerung an Stolin vor der Shoah lebendig macht. Es gibt viele Fotos und Augenzeugenberichte.

Eine Seite gegen das Vergessen, eine Seite, die zeigt, warum das Internet wichtig und wertvoll ist.



Lebendige Partnerschaft

 

Der Partnerschaftsverein Homberg-Stolin e.V. hält die Partnerschaft lebendig, unterstützt Stolin mit Hilfstransporten und ermöglicht in jedem Jahr Stoliner Kindern einen Erholungsaufenthalt in Homberg.

Das geht nur mit Ihrer Unterstützung. Bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende, damit wir diese Arbeit fortsetzen können. 

Partnerschaftsverein Homberg-Stolin e.V.
Joachim Jerosch
Wiesbadener Ring 12
34576 Homberg (Efze)
Tel.: 05681 5211 • jerosch@homberg-stolin.de

Spendenkonten:

  • Kreissparkasse Schwalm-Eder, BLZ 520 521 54, Kto-Nr. 0081002990
  • VR-Bank Schwalm-Eder e.G., BLZ 520 626 01, Kto-Nr. 51900

Wir gestalten die Partnerschaft mit Stolin in Belarus