Haubarg und Geesthardenhaus 

Nordfriesische Bauformen

Wer durch Nordfriesland fährt, dem fallen die wunderschönen, reetgedeckten Bauernhöfe auf, von denen glücklicherweise noch immer einige erhalten sind - auch wenn sie nur noch selten landwirtschaftlich genutzt werden. Die moderne Landwirtschaft mit großen Geräten und Massentierhaltung ist in den traditionellen Bauten längst nicht mehr möglich.

Grundsätzlich beruht der Baustil der Häuser auf einem seit der frühen Besiedlung der Uthlande beibehaltenen Grundprinzip. Die Häuser auf den Inseln und in den Marschen der Uthlande - der Landschaft vor dem höher gelegenen Geestgebieten - wurden auf aufgeschütteten Warften errichtet, um auch im Falle eines Deichbruchs noch eine relative Sicherheit vor den Fluten zu haben. In den Boden der Warften wurden Ständer gerammt, die die Dachkonstruktion der Häuser trugen. Vor diesen Ständern wurden die Wände errichtet - zunächst aus Erdsoden oder Brettern, später aus Ziegeln. Durch diese Bauform war gewährleistet, dass die Häuser auch bei Sturmfluten, die die Wände zerschlugen nicht gänzlich einstürzten. Die Ständer konnten der Gewalt des Wassers oft widerstehen.

Aus dieser Bauform entwickelte sich das uthlandfriesische Bauernhaus, ein durch die Diele quergeteilter Langbau. Die Diele trennte den Wohnbereich und den giebelseitig erschlossenen Stall- und Wirtschaftsbereich. Dieser Haustyp wurde allerdings nur bis vor 1800 gebaut, später entsprach er nicht mehr den Erfordernissen einer zunehmend auf Ackerbau beruhenden Landwirtschaft.

Abgelöst wurde dieser Haustyp vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert durch das Geesthardenhaus - das trotz seines Namens auch in der Marsch und auf den Inseln gebaut wurde. Bei diesem Haustyp ruht das Dach nicht mehr auf Ständern, sondern auf dem Mauerwerk. Die Erschließung des Hauses erfolgt quer, von der Längsseite des Hauses her. Auch hier sind Wirtschaftsteil und Wohnbereich durch eine Diele voneinander getrennt.

Durch den begrenzten Platz auf den Warften war eine Hauserweiterung in Längsrichtung meist nicht möglich, Anbauten entstanden im rechten Winkel zum vorhandenen Bau, die großen Höfe hatten so meist drei Flügel oder waren sogar an allen vier Seiten um einen Innenhof geschlossen.

Im Gegensatz zu diesen großen, auf eigenen Warften liegenden Bauten, hatten die Landarbeiter nur kleine Katen. Um ebenfalls halbwegs flutgeschützt bauen zu können, entstanden diese Katen meist auf den alten Deichen im Innern der Inseln und Marschen. dies prägt auch heute das Bild z.B. der Marscheninsel Nordstrand, mit ihren kleinen, auf den alten Deichen gereihten Häuschen.

Eine besonders große und prächtige Bauform war auf der Halbinsel Eiderstedt verbreitet, der Haubarg. Der Haubarg beruht auf niederländischen Einflüssen, die ersten Haubarge entstanden nach 1600 auf Eiderstedt. Haubarge sind Ständerbauten, die den Bedürfnissen der Einlagerung der Ernte der Ackerbauern angepasst sind und zum Teil gewaltige Ausmaße erreicht haben. Ackerbau wurde in den Marschen erst rentabel, als es gelang, durch bessere Sielsysteme, die nassen Marschflächen besser zu entwässern. Fachwissen und Kapital kamen insbesondere mit den im Wasser- und Deichbau führenden Holländern nach Nordfriesland.

Der Dachstuhl der Haubarge ruhte auf einem Ständergeviert aus 4, 6 oder auch 8 Ständern in der Mitte der Bauten, zwischen denen die Ernte oftmals bis unter das Dach gestapelt wurde. im Winter wurde das Korn dann in der Dreschdiele (Lohdiele). Die Wohn-, Stall- und Wirtschaftsräume waren rings um das Ständergeviert angeordnet, die Haubarge hatten so einen fast quadratischen Grundriss. Der bekannte Rote Haubarg bei Simonsberg ruht auf 8 Ständern und hat eine Grundfläche von fast 1000 qm.

Für den Bau wurde zunächst Eichenholz verwendet, bei den spätern, größeren Haubargen nahm man Kiefern- und Fichtenbalken, die aufgrund der nordfriesischen Holzarmut aus Skandinavien oder Polen herbeigeschafft wurden. Das ca. 14 m hohe Reetdach hält an der Nord- und Ostseite ca. 100 Jahre, die stark dem Wetter ausgesetzte West- und Südseite überdauert nur 30 bis 50 Jahre.

Verbreitet war der Haubarg vor allem auf Eiderstedt, 1860 wurden 414 dieser Gebäude registriert. Davon sind heute nur noch 40 in ihrer inneren und äußeren Struktur erhalten.

Quelle: Gerd Kühnast, Nordfriesland - eine vielfältige Bauernhauslandschaft, in: Das große Nordfriesland-Buch, Hamburg, 2000

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© by Klaus Bölling