Soziale Stadt - vielfältige Aspekte zur nachhaltigen
Quartiersentwicklung
Die Arbeitsgemeinschaft SPD-GRÜNE beantragt in einer
Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung am 12. Juni 2003 die
Teilnahme Hombergs am Bund-Länder-Programm Soziale Stadt.
Lesen Sie die Antragsbegründung:
Meine Damen und Herren,
ist dieser Antrag wirklich so wichtig, dass er eine Sondersitzung
rechtfertigt, hätte er nicht auch bis in den Juli warten können?
Wir sind der Meinung, er kann nicht warten, wir müssen sofort
handeln. Warum? Noch gibt es laut Auskunft des Ministerium in der
Hessischen Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt einige wenige
Plätze für zusätzliche Projekte. Aber es gibt natürlich auch viele
Interessenten – immerhin ist es ein interessantes Programm zur
Förderung des Städtebaus und der sozialen Infrastruktur. Wollen
wir also noch partizipieren an diesem Programm, müssen wir schnell
sein. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft SPD-GRÜNE müssen wir
auf jeden Fall an diesem Programm teilnehmen: es bietet Chancen,
die sich Homberg gerade in seiner derzeitigen Situation nicht
entgehen lassen darf. Und eines sei ganz deutlich an die Kollegen
von der FDP gesagt – die Vorteile überwiegen bei weitem ein paar
hundert Euro Sitzungsgeld.
Wir müssen schnell sein, wir dürfen uns unsere Chancen nicht
dadurch verderben, dass Hombergs Antrag auf Teilnahme am
Bund-Länder-Programm Soziale Stadt in der Lethargie der
Sommerpause nicht bearbeitet wird und wir am Ende zu spät sind.
Homberg war doch lange genug zu spät dran, alle reden vom Aufbruch
der Stadt – wir wollen aufbrechen in eine neue Zukunft Hombergs
und nicht immer nur verpassten Chancen nachtrauern. Natürlich wäre
es angenehmer, den Sommerabend zu genießen – aber dafür sind wir
schließlich nicht gewählt worden.
Warum ist das Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit besonderem
Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ für Homberg interessant,
gibt es bei uns überhaupt Bedarf, erfüllen wir die Kriterien? Es
gibt Bedarf in Homberg, auf jeden Fall. Wir haben in unserem
Antrag den Bereich für das Projekt umrissen, denn wir sind der
Auffassung, der Bereich des Wohngebiets am Bahnhof und der
angrenzenden Gebiete ist ein Stadtteil mit besonderem
Entwicklungsbedarf. Wir haben hier bereits oftmals über die
Problematik dieses Quartiers gesprochen, wir haben auch erste
Maßnahmen ergriffen – seien es die Jugendräume oder das geplante
Zentrum im alten Sparkassengebäude. Hinzu kommen private oder
gemeinnützige Initiativen, die bereits in diesem Quartier
gearbeitet haben, wie z.B. die Initiative Tandem, deren Arbeit
fortgesetzt werden muss.
Im Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative
‚Soziale Stadt‘ wird von Stadt- und Ortsteilen gesprochen, die
davon bedroht sind, ins soziale Abseits zu rutschen. Dies trifft
auch auf das Bahnhofsviertel zu. Weiter sagt der Leitfaden: „Es
handelt sich dabei meist um hochverdichtete, einwohnerstarke
Stadtteile in städtischen Räumen, die im Hinblick auf ihre
Sozialstruktur, den baulichen Bestand, das Arbeitsplatzangebot,
das Ausbildungsniveau, die Ausstattung mit sozialer und
stadtteilkultureller Infrastruktur, sowie die Qualität der
Wohnungen, des Wohnumfeldes und der Umwelt erhebliche Defizite
aufweisen.“
Wenn sie sich diesen Satz betrachten, so beinhaltet er
eigentlich all die Punkte, die im Zusammenhang mit dem Wohngebiet
am Bahnhof oftmals erwähnt wurden. Sicherlich finden sich in den
Ballungszentren und großen Städten Stadtteile mit einer weitaus
ausgeprägteren Problematik. Aber das Programm Soziale Stadt zielt
nicht nur auf die großen Stadt, von denen einige bereits im
Programm sind, es zielt auch auf kleiner Städte. Daher würde
Homberg als Zentrum im ländlichen Raum genau in dieses Programm
passen, daher ist das Wohngebiet am Bahnhof mit seiner speziellen
Problematik und der Veränderung seiner Bewohnerstruktur in den
letzten Jahren ein geeignetes Quartier.
Was macht das Programm so reizvoll? Der Reiz des
Bund-Länder-Programms ‚Soziale Stadt‘ liegt in seinem
ganzheitlichen Ansatz. Es geht eben nicht nur um einzelne
Projekte, z.B. im Rahmen der Integration, der Jugendarbeit oder
der baulichen Sanierung. Das Programm zielt auf einen
längerfristigen Ansatz, soll über mehrere Jahre laufen und dabei
Förderprogramme ressort- und ämterübergreifend kombinieren. Es
geht auch nicht wie bei anderen Programmen der Städtebauförderung
nur um die Bezuschussung investiver Projekte, sondern ganz bewusst
auch um nicht-investive Maßnahmen. Zudem sollen neue Verwaltungs-
und Managementstrukturen erprobt werden.
Gerade auch der nicht-investive Ansatz ist für Homberg
bedeutsam. Unter diesem Aspekte können z.B. auch Personalkosten
für integrative Maßnahmen oder etwas das Quartiersmanagement über
einen Zeitraum von 3 Jahren zu 50% bezuschusst werden.
Einer der wichtigsten Ansätze ist jedoch, dass dies alles nicht
rein administrativ erfolgen soll, sondern unter Einbeziehung und
aktiver Beteiligung der Stadtteilbevölkerung. Die Menschen im
Quartier werden einbezogen, sie bekommen so einen neuen Ansatz zur
Identifikation mit ihrem Wohnumfeld, neue Nachbarschaften
entstehen und geben dem Quartier ein neues Image.
Sieben Punkte sind es, die von den Initiatoren des Programms als
Ziele definiert werden:
1. soziale Impulse
Hier geht es insbesondere um die Aktivierung der Potentiale eines
Quartiers, die Stärkung der Selbstverantwortung, die Entstehung
neuer Nachbarschaften. Im konkreten Fall betrifft dies z.B. die
Jugendarbeit mit eigenen Jugendräumen und eigener Problematik im
Gebiet aber auch das geplante Zentrum in der alten Sparkasse mit
seinen vielfältigen Möglichkeiten.
2. ökonomische Impulse
Auch unter diesem Aspekt erscheint uns das Gebiet am Bahnhof als
geeigneter Stadtteil. Im Vordergrund steht z.B. die ökonomische
Situation der Bewohner im Quartier, aber auch
Beschäftigungsinitiativen und Qualifizierungmaßnahmen.
3. ökologische Impulse
Explizit sei in diesem Zusammenhang der zum Quartier zählende
Bereich der Efzewiesen mit seiner Kombination aus Naherholung für
die Menschen im Quartier aber auch als Ökosystem mit
Wasserlehrpfad etc. erwähnt.
4. kulturelle Impulse
Hier ist insbesondere die Bevölkerungsstruktur mit ihrem hohen
Anteil von Aus- und Umsiedlern zu betrachten. Ansätze wie die
Arbeit der Initiative Tandem müssen fortgesetzt werden,
sind aber allein nicht ausreichend. Auch unter diesem Aspekt ist
ein Stadtteilzentrum unverzichtbar.
5. baulich-städtebauliche Impulse
Interessant im Gebiet ist die Betrachtung der Zeilenbebauung aus
den 50er Jahren und die Einbeziehung der Wohnungsbaugesellschaften
in das Projekt ‚Soziale Stadt‘. Aspekte wie bewohnerorientierte
Modernisierung, Verbesserung der Infrastruktur,
Wohnumfeldverbesserung sind für das Wohngebiet insbesondere im
Bereich der Mehrfamilienhäuser relevant.
6. partizipatorische Impulse
Die Menschen tragen wieder Verantwortung für ihren Stadtteil, neue
Identifikationen entstehen. Daher ist die Einbindung der Menschen
in das Programm unverzichtbar. Hier liegen Chancen, die in Homberg
beim Agenda-Prozess leider nicht genutzt wurden.
7. politisch-administrative Impulse
Verschiedene Maßnahmen werden direkt auf das Quartier bezogen
durchgeführt, Einzelmaßnahmen und –förderungen werden
projektbezogen gebündelt und können daher eine wesentlich
längerfristige und nachhaltigere Wirkung entfalten.
Allein diese sieben Punkte zeigen den umfassenden Ansatz des
Projekts ‚Soziale Stadt‘ und unterstreichen die Bedeutung, die
dieses Programm für das Wohngebiet am Bahnhof haben kann.
Die vorgetragenen Punkte zeigen auch, dass es sich hierbei nicht
um etwas gänzlich Neues für Homberg handelt. Viele der
angesprochenen Ansätze sind bereits in der Planung – oftmals
jedoch als Einzelmaßnahmen und nicht in einem Gesamtzusammenhang
und unter dem Aspekt einer nachhaltigen, langfristigen
Quartiersentwicklung. Auch Bürgermeister Wagner hat zu Beginn
seiner Amtszeit das Projekt ‚Soziale Stadt‘ auf seiner Agenda
gehabt – wir sehen unseren Antrag also auch als Unterstützung
dieser Idee, die zunächst leider nicht weiterverfolgt wurde. Es
kann sein, dass es dabei auch zu Missverständnissen um die
Voraussetzungen zur Teilnahme am Bund-Ländern-Projekt ging. Wir
haben uns vor Antragsstellung sachkundig gemacht. Homberg kann am
Projekt teilnehmen, es ist nicht Voraussetzung für die Teilnahme,
als Ziel-II-Gebiet anerkannt zu sein. Andere städtebauliche
Programme wie z.B. die Stadtsanierung betreffen nicht das
betroffene Quartier, sind also auch kein Ausschlusskriterium.
Aus diesem Grund sehen wir es als vordringlich an, Hombergs
Teilnahme am Bund-Länder-Projekt ‚Soziale Stadt‘ unverzüglich zu
beantragen. Dies sollte nicht allein durch die Stadtverwaltung
geschehen, mit der Erstellung der Antragsunterlagen muss ein
Fachbüro beauftragt werden. Es gibt einige Büros, die hier die
entsprechende Erfahrung auch aus anderen Projekten haben, die für
die Antragserstellung empfohlen werden können. Entsprechende
Unterlagen liegen uns vor, wir geben sie sehr gerne weiter.
Wir haben diese Sondersitzung beantragt, damit jetzt etwas
geschieht. Sollte der Antrag die Mehrheit finden,
darf er nicht auf die lange Bank geschoben werden, dann muss
unverzüglich mit der Beauftragung des Büros und der Erstellung der
Antragsunterlagen begonnen werden, damit der Antrag noch vor der
Sommerpause eingereicht werden kann. Die Problemlage ist klar,
erste Maßnahmen z.B. im Bereich der Jugendarbeit sind ergriffen
worden, Planungen für ein Stadtteilzentrum oder die Gestaltung der Efzewiesen liegen vor – es gibt also keinen Grund, einen Antrag
für das Programm hinauszuzögern. Wir hielten es für fatal, wenn
Homberg nicht in das Förderprogramm käme, weil andere Gemeinden
schneller mit der Antragstellung waren.
Wir haben jetzt die Chance, ein Projekt in Gang zu setzen, das
zu einer positiven Entwicklung eines Stadtteils führen kann, der
sich zu einem Brennpunkt entwickelt hat. Dieser Prozess mit seinen
vielfältigen Ansätzen kann hochinteressant werden und durch die
integrativen Aspekte für die gesamte Stadt Nutzen bringen. Homberg
ist im Aufbruch – das Projekt ‚Soziale Stadt‘ wird diesen Aufbruch
nachhaltig unterstützen. Unterstützen sie diesen Aufbruch durch
ihre Zustimmung zu unserem Antrag.