Verstoß gegen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit

Rede zum Haushalt 2009 (Klaus Bölling, Fraktionsvorsitzender)

Meine Damen und Herren,
es gibt für die öffentlichen Haushalte die allgemeinen Prinzipien der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit, an denen kein Weg vorbei führt. Dieser Haushalt widerspricht diesen Prinzipien, er verstößt nach unserer Auffassung eklatant gegen das Gebot der Haushaltswahrheit.

Auf Seite 199 des Haushaltsplans wird im Stellenplan eine Stelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit als unbesetzt bezeichnet. Auf meine Nachfrage im Haupt- und Finanzausschuss am Dienstag wurde dies vom Ersten Stadtrat ausdrücklich bestätigt. Ich denke wir alle wissen, dass dies nicht stimmt. Zumindest wer mit halbwegs offenen Augen und Ohren durch Homberg geht, wer sein Mandat nur halbwegs wahrnimmt und das Verwaltungshandeln verfolgt, stellt fest, dass diese Stelle sehr wohl besetzt ist. Auch die Presse veröffentlicht offizielle Mitteilungen der Stadt Homberg und zitiert dabei einen Pressesprecher, den es laut Stellenplan gar nicht geben dürfte.

Für uns ist es dabei völlig egal, ob der Mitarbeiter an diesem Schreibtisch und auf diesem Stuhl offiziell vom Bürgermeister zum Pressesprecher oder Öffentlichkeitsmitarbeiter ernannt wurde. Für unsere Fraktion ist die ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Fragen sie Menschen, die sich in Homberg mit Kultur beschäftigen, fragen sie Menschen, die in Homberg Veranstaltungen planen, sich mit Stadtmarketing auseinandersetzen oder zum Thema Tourismus arbeiten: Sie alle haben auf Verwaltungsseite sehr schnell mit einem Mitarbeiter zu tun, den es laut Stellenplan nicht gibt.

Auch wenn der Bürgermeister ausdrücklich betont, er selbst sei für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, werden Pressemitteilungen nicht von ihm herausgegeben, sondern von einem Mitarbeiter der nicht bei der Stadt beschäftigt ist. Somit wird uns in diesem Haushalt bewusst die Unwahrheit präsentiert.

Doch es geht noch weiter. Offiziell beschäftigt wird der Mitarbeiter über den Stadtentwicklungsverein, der satzungsgemäß das Förderprogramm Soziale Stadt abwickelt und für Teile der Jugendarbeit zuständig ist. Dort soll er laut Auskunft des Vereinsvorsitzenden Bürgermeister Wagner als Koordinator für Fördergelder beschäftigt sein. Auf eindringliche Nachfrage während der Jahreshauptversammlung dieses Vereins hat der Bürgermeister mehrfach betont, der Mitarbeiter mache keine Öffentlichkeitsarbeit, sondern sei für die Beschaffung von Fördergeldern verantwortlich. Ich habe bereits ausgeführt, dass wir aufgrund der vielfältigen, öffentlich wahrnehmbaren anderen Tätigkeiten im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Kultur, Veranstaltungen und Stadtmarketing davon ausgehen können, dass dies nicht der Realität entsprechen kann. Hinzu kommen immer wieder Veröffentlichungen in der Presse, bei denen der Pressesprecher zitiert wird und die dann zu hektischen Aktivitäten auf Seiten der Stadt und Behauptungen, der Mitarbeiter sei kein Pressesprecher führen.

Der Stadtentwicklungsverein wird aus dem Programm Soziale Stadt öffentlich gefördert. Es liegt hier also der Verdacht nahe, dass Gelder des Vereins nicht für den Vereinszweck, sondern für allgemeine Verwaltungsaufgaben der Stadt Homberg zweckentfremdet verwendet werden. Damit steht auch der Verdacht des Fördermittelmissbrauchs im Raum.

Meine Damen und Herren,
hier geht es um mehr, als ein kleines Versteckspiel des Bürgermeisters, um eine Stellenbesetzung ohne Formalien, Ausschreibung und Gremienbeteiligung durchmauscheln zu können. Hier geht es auch um rechtliche Verantwortung. Da gibt es zum Beispiel den Vorstand des Stadtentwicklungsvereins. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Vorgang den Vorstandsmitgliedern nicht bekannt ist. Zumindest seit der Jahreshauptversammlung müssten sie aufmerksam geworden sein. Diese Vorstandsmitglieder tragen rechtlich Verantwortung. Es gibt den Magistrat und seine Mitglieder. Auch ihnen dürfte der Vorgang bekannt sein.

Und es gibt den Bürgermeister, den wir verantwortlich machen. Er trägt Verantwortung als Bürgermeister und als Vereinsvorsitzender. Er hat als Bürgermeister aber auch eine Fürsorgepflicht für den betroffenen Mitarbeiter, der nach unserem Kenntnisstand Aufgaben für die Stadt wahrnimmt, bei der er aber gar nicht beschäftigt ist und damit seinen eigentlichen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag bei einem öffentlich geförderten Verein real nicht nachkommen kann. Hier bewegt man sich also auch arbeitsrechtlich auf sehr dünnem Eis. Es ist unverantwortlich, einem Mitarbeiter eine solche Situation zuzumuten.

Und noch etwas: In der Politik wird ja leider mit Halbwahrheiten etc. gern gearbeitet. Aber ich lasse mich nur sehr ungern offen verkaspern und für dumm verkaufen. Wenn mir der Vorsitzende des Stadtentwicklungsvereins und Bürgermeister der Stadt Homberg auf der Jahreshauptversammlung des Vereins erklärt, es könne sein, dass der betreffende Angestellte des Stadtentwicklungsvereins in seiner Freizeit Aufgaben im Bereich des Stadtmarketings, der Veranstaltungsplanung und -durchführung oder der Öffentlichkeitsarbeit quasi ehrenamtlich übernimmt, dann ist das eine mehr als dreiste Unwahrheit gegenüber einem gewählten Stadtverordneten.

Meine Damen und Herrren,
mit der Abstimmung über den Haushalt übernehmen auch wir Verantwortung. Ich weiß, dass es auch in der CDU-Fraktion Kolleginnen und Kollegen gibt, die ihre kommunalpolitische Verantwortung sehr ernst nehmen, die auch ihr Selbstverständnis als Parlamentarier ernst nehmen. Und ich weiß, dass es in ihrer Fraktion Kolleginnen und Kollegen gibt, die die geschilderten Vorgänge kennen, die wissen, dass sie der Realität entsprechen. Wie können sie es verantworten, diesem Haushalt zuzustimmen?

Je mehr ich seit der Jahreshauptversammlung des Stadtentwicklungsvereins und der Vorlage des Haushaltsplans über diese Verschleierungstaktik nachgedacht habe, umso empörter wurde ich über dieses Hintergehen der Stadtverordneten. Ich hatte gehofft, dass es zumindest im Haupt- und Finanzausschuss zu einer Klarstellung kommt. Aber auch dort wurde vom Ersten Stadtrat im Auftrag des Bürgermeisters nochmals bestätigt, die Stelle Öffentlichkeitsarbeit sei unbesetzt. Dies ist eine unglaubliche Dreistigkeit.

Ich finde diesen Vorgang so unglaublich, dass ich mich an dieser Stelle mit den anderen Punkten des Haushalts nicht mehr ausführlich beschäftigen möchte. Es gäbe genug Gründe, dies zu tun. Angefangen von einer lähmenden Überschuldung bis zur Höhe der Kassenkredite, die eine Zinsbelastung mit sich bringt, die Homberg weiter in die Handlungsunfähigkeit treibt. Wir haben die Lage nicht mehr im Griff, sind auf den Landesausgleichsstock angewiesen, müssen Auflagen der Aufsichtsbehörde erfüllen.

Der Schuldenstand ist um weitere 4 Mio. € auf die sagenhafte Rekordsumme von mehr als 40 Mio. € angestiegen. Ein Anstieg um 10 % in nur einem Jahr. Die Kassenkredite – also kurzfristige Überbrückungskredite mit hohem Zinssatz – werden auf 8 Mio. € festgesetzt. Ein weiterer Rekordbetrag. Im letzten Jahr waren die hohen Kassenkredite mit dem Hessentag begründet worden. Auch diese Begründung war scheinbar nicht wahr - oder womit rechtfertigen sie die unglaubliche Höhe in diesem Jahr? Ich fürchte, Bürgermeister Wagner hat angesichts dieser Lage längst den Überblick verloren. Auch dafür ist sein personalpolitisches Hangeln am Parlament vorbei ein deutliches Indiz.

Es gibt weitere Indizien: Die Belastung der Bürgerinnen und Bürger wird weiter steigen, wenn z.B. die Abwassergebühren heraufgesetzt werden. Wo andere Gemeinden sich der Zukunft stellen, attraktiv für Familien und Kinder werden wollen, plant Homberg nicht die Abschaffung der Kindergartengebühren, sondern deren massive Erhöhung. So wird Zukunft nicht gestaltet.

Und es gäbe noch viele Stellen in diesem Haushalt, die dem Prinzip der Haushaltsklarheit widersprechen, da Ausgaben nicht aufgeschlüsselt werden und damit nicht nachvollziehbar für uns Stadtverordnete sind.

Für uns aber ist das Hauptkriterium: Dieser Haushalt entspricht nicht dem Grundsatz der Haushaltswahrheit. Ich betone das ausdrücklich und möchte es auch so im Protokoll festgehalten wissen. Dieser Haushalt entspricht nicht dem Grundsatz der Haushaltswahrheit - wir lehnen ihn daher ab und sprechen dem Bürgermeister aus diesem Grund ausdrücklich unser Misstrauen aus.